Mord der Familie Clutter in Holcomb 1959: Blutrausch in Kansas (2024)

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Unvergessene Mordnacht: Blutrausch in Kansas

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Bis heute ist der Tathergang nicht vollständig geklärt: 1959 wurde die vierköpfige Familie Clutter in einem Kaff im Mittleren Westen der USA brutal ermordet. Der Schriftsteller Truman Capote schrieb einen Roman über das Drama - und zerbrach daran. Die Bewohner des Städtchens Holcomb müssen bis heute mit der Bluttat leben.

VonIngo Rentz

Als Nancy Ewalt und Susan Kidwell am Morgen des 15. November 1959 vergeblich nach ihrer Freundin suchten, ahnten sie noch nichts von dem Grauen, das sie erwartete. Die 16-jährige Nancy Clutter und ihre Familie waren an jenem Sonntag nicht in der Kirche erschienen, ungewöhnlich für den Familienvater Herbert Clutter und seine Frau Bonnie. Auch ihr Sohn Kenyon, 15 Jahre jung, hatte sich nicht blicken lassen. Gemeinsam mit ihren Vätern fuhren Ewalt und Kidwell zu dem Farmhaus der Clutters, das etwas außerhalb des Zweitausend-Seelen-Nests Holcomb im Mittleren Westen der USA liegt. Auch nach mehrmaligem Klopfen blieb es still in dem Anwesen.

Vorsichtig stiegen Nancy Ewalt und Susan Kidwell die Treppe in das erste Stockwerk des Hauses hinauf, wo sich die Schlafzimmer der Familie befanden. Es war Susan, die Nancy Clutter entdeckte, mit dem Gesicht zur Wand in ihrem Bett liegend. Doch das Mädchen schlief nicht. Ein Schuss mit einem großkalibrigen Gewehr aus nächster Nähe hatte sie getötet.

Am frühen Nachmittag hatten Holcombs Sheriff Robinson und seine Kollegen auch die restlichen Mitglieder der Familie Clutter aufgefunden. Bonnie war in ihrem Bett erschossen worden, Herbert und sein Sohn Kenyon im Keller. Dem 48-jährigen Familienvater hatte man zudem die Kehle durchgeschnitten.

Es durfte keine Zeugen geben

Sechs Wochen später konnten die Ermittler des Kansas Bureau of Investigation die beiden Mörder fassen: Richard Hickock, 28, und Perry Smith, 31, wurden in Las Vegas verhaftet. Die beiden Ex-Sträflinge hatten von einem Zellenkumpan, der einst auf der Clutter-Farm gearbeitet hatte, erzählt bekommen, dass Herbert Clutter viel Geld in einem Safe auf seinem Anwesen habe. Smith und Hickock machten sich nach ihrer Haftentlassung Anfang November 1959 sofort auf den Weg nach Holcomb, um die Clutters zu überfallen und auszurauben. Hickock hatte dabei immer wieder klar gemacht, dass er keine Zeugen zurücklassen wolle.

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Als die beiden Eindringlinge am 15. November 1959 kurz nach Mitternacht die Familie überwältigt hatten, stellten sie bald darauf fest, dass Herbert Clutter überhaupt keinen Geldschrank besaß. Der sonst ruhige und zurückhaltende Perry Smith entriss daraufhin seinem Kompagnon das Gewehr und erschoss Herbert und Kenyon. Wer die tödlichen Schüsse auf die weiblichen Mitglieder der Clutter-Familie abgab, ist nie eindeutig geklärt worden. Smith machte zu diesem Punkt später widersprüchliche Aussagen.

Wenige Tage nach dem grausamen Verbrechen las der amerikanische Schriftsteller Truman Capote in einer Meldung der "New York Times" von der Bluttat in Holcomb. Sofort rief er seinen Verleger an - er wolle einen Roman über die Tat schreiben. Noch am selben Tag begann Capote mit der Arbeit. Am Ende war der Roman mehrere hundert Seiten stark und berichtete detailliert von den Morden, der Fahndung nach den Mördern sowie deren Festnahme und Haftzeit. Auf den ersten hundert Seiten des Werkes widmete sich Capote jedoch dem Alltag der Familie Clutter, zu dem 1959 auch der junge Bobby Rupp gehörte, der Freund von Nancy Clutter.

Tod durch den Strang

Rupp ist heute 65 Jahre alt. Er hat ein freundliches Gesicht, wenig Haare und eine Brille mit großen Gläsern. Er ist vierfacher Vater, Großvater und hat Holcomb nie verlassen. Rupp sprach nie gern über seine Vergangenheit, die gleichzeitig die Geschichte seiner Heimatstadt Holcomb ist. "Was vergangen ist, ist vergangen", bekräftigte er in mehreren Interviews. Dennoch scheint es, als hätten ihn die Geschehnisse des 15. November 1959 an diesen Ort gefesselt.

Bobby und Nancy waren ein typisches Highschool-Pärchen: Er sportlich, intelligent und höflich, sie hübsch, beliebt und begabt. Weil er die Regeln von Nancys Vater respektierte, saß Rupp am Vorabend von Nancys Tod ohne Körperkontakt neben ihr auf dem Sofa im Hause Clutter und sah fern. Als die Spätnachrichten vorbei waren, erhob sich Bobby und versprach seiner Freundin, sie am nächsten Morgen nach der Kirche abzuholen, damit die beiden den folgenden Tag zusammen verbringen konnten. Nur den Vorschriften Herbert Clutters, die eine räumliche Trennung des jungen Paares verlangten, verdankt Bobby Rupp sein Leben. Denn kurz nach seinem Abschied näherten sich Smith und Hickock dem Anwesen.

Als Truman Capotes Roman "Kaltblütig" 1965 erschien, waren Perry Smith und Dick Hickock bereits tot. Beide starben am 14. April desselben Jahres den Tod am Galgen, nachdem das Gericht von Garden City in Kansas sie des mehrfachen Mordes für schuldig befunden hatte. Doch Capote schuf ihnen ein Denkmal. Der Schriftsteller hatte die zum Tode Verurteilten während ihrer Zeit in der Todeszelle intensiv begleitet und dabei eine enge Bindung zu Perry Smith aufgebaut. Offenbar so eng, dass Capote bis heute immer wieder ein Liebesverhältnis zu Smith nachgesagt wird.

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Capotes Tatsachenroman avancierte bereits kurz nach Erscheinen zu einem Bestseller - Capote selbst konnte den Ruhm nicht genießen. Er schaffte es weder, den monatelangen Kontakt zu den Mördern, noch den folgenden Ruhm verarbeiten. "Kaltblütig" war sein letzter Erfolg, Capote starb am 25. August 1984 nach jahrelangem Drogen- und Alkoholkonsum als körperliches Wrack.

Um Holcomb ist es seit dem Erscheinen von Capotes Roman nie mehr still geworden. Das Haus der Familie Clutter wurde für die erste Verfilmung des Romans 1967 als Originalkulisse verwendet und anschließend nahezu unverändert weiterverkauft. Ab 1990 bewohnte das Ehepaar Mader das berühmt gewordene Anwesen. Donna Mader und ihr Mann Leonard lebten bereits 1959 in Holcomb und kannten die Clutters. Obwohl Donna Mader vor einiger Zeit die Touristenführungen durch ihr Heim aufgegeben hat, fahren immer noch regelmäßig Autos mit fremden Kennzeichen die lange Auffahrt zu dem ehemaligen Clutter-Anwesen herauf, um angesichts der Schilder mit der Aufschrift "Keine Durchfahrt" wieder umzudrehen.

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